Das Deutsche Tanzarchiv Köln hebt die Tänzerin, Choreographin und Tanzpädagogin Dore Hoyer (1911-1967) als »die mit Abstand wichtigste deutsche Solistin des modernen Tanzes von den 1930er bis zu den 1960er Jahren« hervor. Dore Hoyer arbeitete auch als Regisseurin. Ihre Inszenierungen an deutschen Bühnen hatten achtbaren Erfolg und unterstreichen eindrucksvoll ihre Mehrfachbegabung. Über ihre Mannheimer Inszenierung Johanna auf dem Scheiterhaufen schreibt die Presse:
»Zu überzeugen vermochte die choreographische Gestaltung, mit der Dore Hoyer als Gast von der Staatsoper Hamburg bewies, wie mannigfaltig durch Einfühlungsvermögen die Lebendigkeit des Wortes und der Musik in ausdrucksvolle Bewegung übersetzt werden kann.«
Das szenische Oratorium Arthur Honeggers Jean d’ Arc au bûcher fußt auf einem Text von Paul Claudel in der deutschen Übersetzung des Winterthurers Hans Reinhart. Es wurde unter der Leitung Paul Sachers lediglich konzertant 1938 in Basel uraufgeführt. Die Sprechrolle der Jeanne d’ Arc verkörperte die Auftraggeberin des Stücks Ida Rubinstein. Die 1885 in der heutigen Ukraine geborene russische Tänzerin, Schauspielerin und Choreografin gilt als Pionierin der Performance.
Am 2. Juni 1952 fand die Mannheimer Erstaufführung in der Schauburg statt. In einer Rezension aus dem Nachlass Clara Walbröhls (ZF 9) ist zu lesen, dass zahlreich Publikum erschienen war. Werk und Inszenierung wurden als gute Gesamtleistung gelobt.
Als choreografierende Tänzerin wurde Dore Hoyer selten eine solche Resonanz zuteil, worunter das Ausnahmetalent psychisch, physisch, aber auch ökonomisch litt. Heute weiß man, dass Dore Hoyer ihrer Zeit weit voraus war. Frank-Manuel Peter, der Leiter des deutschen Tanzarchivs Köln stellte fest, dass
Am 2. Juni 1952 fand die Mannheimer Erstaufführung in der Schauburg statt. In einer Rezension aus dem Nachlass Clara Walbröhls (ZF 9) ist zu lesen, dass zahlreich Publikum erschienen war. Werk und Inszenierung wurden als gute Gesamtleistung gelobt.
Als choreografierende Tänzerin wurde Dore Hoyer selten eine solche Resonanz zuteil, worunter das Ausnahmetalent psychisch, physisch, aber auch ökonomisch litt. Heute weiß man, dass Dore Hoyer ihrer Zeit weit voraus war. Frank-Manuel Peter, der Leiter des deutschen Tanzarchivs Köln stellte fest, dass
»Dore Hoyers tänzerisches Frühwerk der Zeit von 1932-1935 einzigartig dasteht und sie hierin den Ausdruckstanz der 1920er Jahre deutlich weiterentwickelt hat. Sie ist wesentlich moderner als ihre Vorgänger und Zeitgenossen.«
Er gibt zu bedenken, dass die Anfangsjahre von Dore Hoyer im Dritten Reich lagen. Das Erstarken des nationalsozialistischen Gedankenguts und des volkstümelnden Kunstgeschmacks stand der von ihr eingeschlagenen Richtung einer Modernisierung und Weiterentwicklung des Ausdruckstanzes im Wege. Auch innerhalb des Theaterbetriebs war es kaum möglich, sich weiter zu entwickeln. Dennoch hat sie dies in Plauen, Oldenburg und Hamburg versucht. Es gehörte dort zu ihren Pflichten, für die Oper und Operette mit überwiegend im Ballettstil ausgebildeten Tänzer*innen zu arbeiten. In Hamburg wollte man ihr die Chance eröffnen, das Ensemble stilistisch anders zu formen, was sie jedoch nach drei Jahren aufgab. Mit mäßigem Erfolg hatte sich in Mannheim Intendant Herbert Maisch bemüht, das Publikum mit dem tänzerischen Fortschritt vertraut zu machen. 1930 veranstaltete er in B 3 die Matinee Das ist Tanz. Der Rezensent Karl Laux schreibt über den bescheidenen Publikumszuspruch:
»Es hätten noch viel mehr sein dürfen. Die Initiative des Intendanten Maisch, der auch durch diese Tanz-Vormittage das Interesse am Theater aktivieren will, der auch da zeigen will, wie es noch Möglichkeiten für das Theater gibt, diese Initiative müßte besser belohnt werden. An euch liegt es.«
Gret Palucca war fast zehn Jahre älter als Dore Hoyer und hatte ihrer Stilistik bereits weitgehend ausgeprägt. In Mannheim war ihr Klavierbegleiter Herbert Trantow (1903-1993). Die Schauspielerin Cordula Trantow ist seine Tochter. Dore Hoyer blieb nur, das Ende des 2. Weltkriegs für einen neuen Anlauf abzuwarten. Ihr bot sich in Mannheim am Sonntag, den 20. März 1949 morgens um 11 Uhr eine Chance dazu:
Bemerkenswert ist bei Lektüre des Theaterzettels, dass das Werk Potiphars Weib auf dem Programm stand. Die Musik stammt von der in Mannheim geborenen Aleida Montijn (1908-1989). Sie wird 1957 die Bühnenmusik zu Erwin Piscators Eröffnungsinszenierung von Schillers Die Räuber schreiben. Aleida Montijn hatte verschiedentlich mit der Grand Dame des German Dance, Mary Wigman, als Pianistin und Komponistin eng zusammengearbeitet. Auch Dore Hoyer und Mary Wigman kannten sich gut. Als dieser in Mannheim der Schiller-Preis verliehen wurde (ZF 8), trat Dore Hoyer mit einem weiteren Programm auf. Sie zeigte die Südamerikanische Reise – Neue Tänze am 28. März 1954 und trat am 25. Februar 1955 nochmals mit diesem Thema im Rosengarten auf. Insbesondere in Buenos Aires hatte sie eine hohe Anerkennung erfahren.
1956 veranstaltete der »Arbeitskreis Film und Jugend« mit der »Vereinigung Zeitgenössisches Geistesleben« wiederum mit ihr am 14. Juni einen Abend zur modernen Tanzkunst. Am 14. Juni war es endlich soweit: das Kleine Haus des neuen Nationaltheaters stand für einen Solo-Abend am 14. Juni 1957 bereit. Im gleichen Jahr besetzte Mary Wigman in ihrer »Frühlingsweihe«, so der deutsche Titel von Strawinskys Le Sacre du printemps, die Rolle »Opfers« bzw. der »Auserwählten« mit Dore Hoyer.
Dore Hoyer inspirierte neben Tanzkolleg*innen auch Bildende Künstler. Sie schufen Gemälde und Skulpturen von ihr. Das bekannteste Werk ist von dem als Kostümbildner auf dem Programmzettel genannten H.H. Palitzsch (ZF 16 und 22). Sein Gemälde aus dem Jahr 1952 trägt den Titel Dore Hoyer tanzt.
Die Tanzgastspiele, die in Mannheim von 1945 bis 1957 stattfanden, wurden akribisch in der Festschrift dokumentiert. Darin liest man Namen wie Ludwig Egenlauf, der auch eine Tanzschule in Mannheim betrieb, Alexander von Swaine, Lisa Czóbel, Anneliese und Werner Stammer, Ilse Meudtner, Hedy und Margot Höpfner, Heidi Dreher-Claussen und Harald Kreutzberg. Harald Kreutzberg gastierte in Mannheim am 15. November 1952 zur Eröffnung einer neuen Spielstätte im Rosengarten mit Molieres Der eingebildete Kranke.
Verschiedentlich kam es bei den überörtlich beachteten Tanzgastspielen auch zur Zusammenarbeit mit der Mannheimer Agentur Hoffmeister. Währenddessen ging die obligatorische Arbeit der Ballettsparte im Nationaltheater weiter. Neben der Betreuung von Oper und Operette wurden eine Vielzahl von Choreografien und Einstudierungen von Schwanensee bis zur Puppenfee auf die Bühne gebracht. Die Spartenleitung bemühte sich, die im Nationalsozialismus verlorene Zeit nachzuholen. Verdienste erwarb sich dabei von 1953 bis 1956 Lisa Kretschmar, die spätere Leiterin der Akademie des Tanzes. Ihre Nachfolgerin Ingeborg Guttmann (1956-1960) wurde mit ihrer Einstudierung von Martha Grahams Medea auf der 4. Biennale in São Paulo ausgezeichnet (ZF 35). Auch Mary Wigman war trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch am Nationaltheater aktiv. Sie choreografierte und inszenierte Händels Saul (1954), Orffs Catulli Carmina (1955) und Glucks Alkestis (1958). Sie hielt zudem Vorträge über Tanz im Studio Kunsthalle.
Am 5. Februar 1962 war Dore Hoyer ein letztes Mal auf Einladung der GEDOK Mannheim-Ludwigshafen im Kleinen Haus des Nationaltheaters zu sehen.
Zufall oder Konsequenz? 1979 übernahm Joachim Gerster die Leitung der Ballettsparte. Als junger Tänzer hatte er bei Mary Wigmans Alkestis persönlich mitarbeiten können. Auch war er Schüler von Dore Hoyer. Für seine Abschiedschoreografie 1990 wählte er die Josephslegende, ein Thema, das Dore Hoyer schon in Potiphars Weib beschäftigte.
Dore Hoyer düstere Prognose für die Zukunft des Tanzes in Deutschland (»Hoch leben Spitze und Stepp. Damit ist die letzte Chance für den heutigen Tanz verloren.«), erfüllte sich in Mannheim nicht. Der dem Haus und Ingeborg Guttmann verbundene Intendant Arnold Petersen stellte dafür schließlich 1991 die Weichen. Das Ballett wurde abgeschafft! Ein gleichrangiges Solist*innenensemble von 12 Tänzer*innen ersetzte die hierarchische Struktur des Corps de Ballet. Als erster Direktor in dieser neuen Form arbeitete der Franzose Philippe Talard (*1956). Der aus Jochen Ulrichs Kölner Tanzforum hervorgegangene Tänzer und Choreograf war 1. Preisträger des Prix de Lausanne. Auch zu Maurice Béjart bestand eine enge Verbindung. Dieser hatte am 6. Mai 1957 mit seinem und Jean Laurents Ensemble »Ballets de l’Étoile de Paris« in Mannheim gastiert. Über 80 Jahre nach dem Auftritt Gret Paluccas in Mannheim übernahm der in Dresden an der Palucca-Schule ausgebildete Stephan Thoss die Intendanz Tanz am Nationaltheater Mannheim.
Verschiedentlich kam es bei den überörtlich beachteten Tanzgastspielen auch zur Zusammenarbeit mit der Mannheimer Agentur Hoffmeister. Währenddessen ging die obligatorische Arbeit der Ballettsparte im Nationaltheater weiter. Neben der Betreuung von Oper und Operette wurden eine Vielzahl von Choreografien und Einstudierungen von Schwanensee bis zur Puppenfee auf die Bühne gebracht. Die Spartenleitung bemühte sich, die im Nationalsozialismus verlorene Zeit nachzuholen. Verdienste erwarb sich dabei von 1953 bis 1956 Lisa Kretschmar, die spätere Leiterin der Akademie des Tanzes. Ihre Nachfolgerin Ingeborg Guttmann (1956-1960) wurde mit ihrer Einstudierung von Martha Grahams Medea auf der 4. Biennale in São Paulo ausgezeichnet (ZF 35). Auch Mary Wigman war trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch am Nationaltheater aktiv. Sie choreografierte und inszenierte Händels Saul (1954), Orffs Catulli Carmina (1955) und Glucks Alkestis (1958). Sie hielt zudem Vorträge über Tanz im Studio Kunsthalle.
Am 5. Februar 1962 war Dore Hoyer ein letztes Mal auf Einladung der GEDOK Mannheim-Ludwigshafen im Kleinen Haus des Nationaltheaters zu sehen.
Zufall oder Konsequenz? 1979 übernahm Joachim Gerster die Leitung der Ballettsparte. Als junger Tänzer hatte er bei Mary Wigmans Alkestis persönlich mitarbeiten können. Auch war er Schüler von Dore Hoyer. Für seine Abschiedschoreografie 1990 wählte er die Josephslegende, ein Thema, das Dore Hoyer schon in Potiphars Weib beschäftigte.
Dore Hoyer düstere Prognose für die Zukunft des Tanzes in Deutschland (»Hoch leben Spitze und Stepp. Damit ist die letzte Chance für den heutigen Tanz verloren.«), erfüllte sich in Mannheim nicht. Der dem Haus und Ingeborg Guttmann verbundene Intendant Arnold Petersen stellte dafür schließlich 1991 die Weichen. Das Ballett wurde abgeschafft! Ein gleichrangiges Solist*innenensemble von 12 Tänzer*innen ersetzte die hierarchische Struktur des Corps de Ballet. Als erster Direktor in dieser neuen Form arbeitete der Franzose Philippe Talard (*1956). Der aus Jochen Ulrichs Kölner Tanzforum hervorgegangene Tänzer und Choreograf war 1. Preisträger des Prix de Lausanne. Auch zu Maurice Béjart bestand eine enge Verbindung. Dieser hatte am 6. Mai 1957 mit seinem und Jean Laurents Ensemble »Ballets de l’Étoile de Paris« in Mannheim gastiert. Über 80 Jahre nach dem Auftritt Gret Paluccas in Mannheim übernahm der in Dresden an der Palucca-Schule ausgebildete Stephan Thoss die Intendanz Tanz am Nationaltheater Mannheim.
Dr. Laura Bettag
Bildnachweise, Literatur und Links:
- Kachelbild: Zeichnung von B. Kröll aus der Rezension »Ein Mysterium in moderner Sicht« vom 4. Juni 1952. In: MARCHIVUM, Nachlässe, NL Walbröhl, Clara.
- Nationaltheater Mannheim (Hg.)(1957). Das Neue Nationaltheater. Festschrift zur Eröffnung des neuen Mannheimer Nationaltheaters am 175. Jahrestag der Uraufführung der »Räuber«, S. 204.
- Georg Zivier (1956). Harmonie und Extase. Mary Wigman. Berlin: Wasmuth. Online-Ausgabe verfügbar unter https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/313776/137
- Karl Laux (1977). Nachklang. Berlin: Verl. der Nation, S. 457 – 459.
- Frank-Manuel Peter (2003). Zwischen Ausdruckstanz und Postmodern Dance. Dore Hoyers Beitrag zur Weiterentwicklung des modernen Tanzes in den 1930er Jahren. Dissertation verfügbar unter https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/7840
- Theaterzettel vom Tanzgastspiel Dore Hoyer verfügbar unter https://druckschriften-digital.marchivum.de
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