Nach dem Zusammenbruch infolge des zweiten Weltkriegs gerieten bis dahin unhinterfragte Autoritäten in die Krise. Staat und Politik, Religion und Künste sahen sich vor dem Scherbenhaufen der Geschichte. Weiterzumachen wie bisher war auch für das Theater undenkbar geworden. Das alte Nationaltheater in B3 war zerstört. Es dauerte bis 1954 bis man mit dem Bau eines neuen Hauses an anderer Stelle beginnen konnte. Das moderne Gebäude sollte Symbolträger einer geläuterten und offenen Zukunft werden.
Um sich diesem Anliegen nähern zu können, verglich der erste Intendant des Nationaltheaters Dr. Hans Schüler 1957 in der Festschrift mögliche Symbolisierungen eines Theatergebäudes »innerhalb der Baugesinnung unserer Zeit gegebenen allgemeinen Gesetze« mit denen eines Kirchenbaus. Seiner Ansicht nach ist »eine Kirche ein Symbol der Erhebung der Seelen zu Gott, ein Theater ein Ausdruck der Festlichkeit auf kulturellem Urgrund«. Die architektonische Gestaltung des Schnürbodens erschien ihm dabei als zentrales Problem. Dieser sei »untrennbar mit dem Theater verbunden, wie der Turm mit dem Gotteshaus«. Die kubischen Formen zeitgenössischer Neubauten verteidigte er gegen die traditionellen klassizistischen Theatergebäude. Moderne Theater und Kirchen seien eben keine »Kunst- und Seelensilos«, wie von konservativen Kreises abwertend behauptet wurde.
Es galt insbesondere für die öffentliche Architektur, eine zeitgemäße Symbolik zu entwickeln und die Bevölkerung zunehmend davon zu überzeugen. Der Architekt Gerhard Weber bevorzugte für den Baukörper strenge Geometrien und baute ihn auf einen trapezoiden Grundriss auf. Das dominanteste Merkmal seines Theatergebäudes war dessen Horizontalausrichtung mit einer Länge von 130 Metern. Notwendig wurde diese Ausdehnung, weil beide Bühnenhäuser hinter einer einheitlichen Fassade zusammengeführt werden sollten. Die dennoch vorhandene vertikale Binnengliederung scheint weniger präsent. Sogar die Höhe des Bühnenturms über dem Großen Haus wird in seiner Wirkung relativiert. Mit dieser noch nie dagewesenen, großflächigen Gliederung des Baukörpers wollte man sich nicht zuletzt auch von der höfisch-hierarchischen Theaterwelt und ihrem Rangtheater absetzen. Webers Gestaltung von Gebäude und Vorplatz weist keinen Skulpturenschmuck wie beim Theater der Barockzeit auf. Das alte Nationaltheater hatte diesen trotz mehrerer Umbauten immer beibehalten:
Um sich diesem Anliegen nähern zu können, verglich der erste Intendant des Nationaltheaters Dr. Hans Schüler 1957 in der Festschrift mögliche Symbolisierungen eines Theatergebäudes »innerhalb der Baugesinnung unserer Zeit gegebenen allgemeinen Gesetze« mit denen eines Kirchenbaus. Seiner Ansicht nach ist »eine Kirche ein Symbol der Erhebung der Seelen zu Gott, ein Theater ein Ausdruck der Festlichkeit auf kulturellem Urgrund«. Die architektonische Gestaltung des Schnürbodens erschien ihm dabei als zentrales Problem. Dieser sei »untrennbar mit dem Theater verbunden, wie der Turm mit dem Gotteshaus«. Die kubischen Formen zeitgenössischer Neubauten verteidigte er gegen die traditionellen klassizistischen Theatergebäude. Moderne Theater und Kirchen seien eben keine »Kunst- und Seelensilos«, wie von konservativen Kreises abwertend behauptet wurde.
Es galt insbesondere für die öffentliche Architektur, eine zeitgemäße Symbolik zu entwickeln und die Bevölkerung zunehmend davon zu überzeugen. Der Architekt Gerhard Weber bevorzugte für den Baukörper strenge Geometrien und baute ihn auf einen trapezoiden Grundriss auf. Das dominanteste Merkmal seines Theatergebäudes war dessen Horizontalausrichtung mit einer Länge von 130 Metern. Notwendig wurde diese Ausdehnung, weil beide Bühnenhäuser hinter einer einheitlichen Fassade zusammengeführt werden sollten. Die dennoch vorhandene vertikale Binnengliederung scheint weniger präsent. Sogar die Höhe des Bühnenturms über dem Großen Haus wird in seiner Wirkung relativiert. Mit dieser noch nie dagewesenen, großflächigen Gliederung des Baukörpers wollte man sich nicht zuletzt auch von der höfisch-hierarchischen Theaterwelt und ihrem Rangtheater absetzen. Webers Gestaltung von Gebäude und Vorplatz weist keinen Skulpturenschmuck wie beim Theater der Barockzeit auf. Das alte Nationaltheater hatte diesen trotz mehrerer Umbauten immer beibehalten:
Das puristische Erscheinungsbild des neuen Hauses sollte alte Sehgewohnheiten zugunsten moderner Sichtweisen radikal verändern. Die leeren Flächen luden aber auch zu nicht beabsichtigten Projektionen ein. So betitelte der politische Gegner während der Planungsphase des Hauses die Fassade zur Goethestraße als »Hermann-Heimerich-Fassade«. Man unterstellte, dass der Oberbürgermeister sich durch den repräsentativen Neubau selbst ein Denkmal setzen wollte. Umdeutungsversuche von Positionen und Haltungen mit Hilfe ästhetischer Mittel beschäftigten auch den später international renommierten Fotografen Robert Häusser (*1924). Er nahm einen Fahnenmast neben der Eingangshalle so auf, dass er wie eine wesentlich niedrigere Bodenskulptur erscheint. Gehörte ein Fahnenmast auch zu Schülers kulturellem »Urgrund des Theaters«? Bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, stellt Häusser sein Foto in den Dienst einer ästhetischen und zugleich politischen Aussage. Häussers Flaggenmast hat keine Fahne und damit auch keine Botschaft, die zu hissen wäre! Die Funktion des Flaggenmastes ist in der ästhetischen Position seiner Fotografie, wenn nicht aufgelöst, so doch gravierend minimiert. Auch er hatte persönlich erlebt, wie Kunst und Theater unter den Einfluss negativer staatlicher Macht geriet. Ein Ausdruck dieser Übernahme war die extensive Beflaggung öffentlicher Gebäude mit Hakenkreuzfahnen. Als Hermann Adis, Adolf Doland und Erich Paul auf dem Vetter-Hochhaus die weiße Fahne hissen wollten, wurden sie im März 1945 erschossen. Seit 1961 gibt es für sie und den ebenfalls erschossenen Viktor Link einen Gedenkstein auf dem Mannheimer Hauptfriedhof.
Nicht lange nach Kriegsende begann man am Nationaltheater nicht nur mit dem Wiederaufbau des Spielbetriebs, sondern auch damit, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten. 1947 gab man zwei Nachtvorstellungen mit dem Titel »Verbotener Gesang erhält wieder Klang«. Hier wurden durch die Opernsparte ausnahmslos Stücke der von der NS-Kunstpolitik verfemten Komponisten auf das Programm gesetzt.
Nicht lange nach Kriegsende begann man am Nationaltheater nicht nur mit dem Wiederaufbau des Spielbetriebs, sondern auch damit, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten. 1947 gab man zwei Nachtvorstellungen mit dem Titel »Verbotener Gesang erhält wieder Klang«. Hier wurden durch die Opernsparte ausnahmslos Stücke der von der NS-Kunstpolitik verfemten Komponisten auf das Programm gesetzt.
Musikveranstaltungen, die ohne konkrete Bilder arbeiteten, erleichterten anfangs die Auseinandersetzung. Einem Kinofilm, wie Arthur Brauners Morituri wollten sich 1948 noch die wenigsten stellen. Die Stadt Mannheim überlegte sich daher strategisch einen eigenen Weg, um peu à peu ein entsprechendes Geschichtsbewusstsein aufzubauen. Dieses Anliegen brannte vor allem den kommunistischen und sozialistischen Parteien sowie der Gewerkschaftsbewegung unter den Nägeln. Man erinnerte mit einer Festwoche vom 8. bis 15. Mai 1948 im Nationaltheater an die deutsche Revolution von 1848. Im Stillen hoffte man auf eine Reflexion der Geschehnisse während der NS-Zeit. Auch wenn die Widerstandsbewegung gegen Hitler gescheitert war, gab es doch einmal eine glorreichere Zeit. Mannheim hatte wesentlich zur badischen Revolution beigetragen. Am 9. Mai 1948 hielt Bundespräsident Theodor Heuss am Vormittag die Ansprache im Rahmen einer feierlichen »Weihestunde«. Am Abend gab es die Premiere der Neuinszenierung von Georg Büchners Drama Dantons Tod in der Schauburg (ZF 33). Dazu erschien ein mehrseitiges Programmheft:
Weitere, abgestimmte Veranstaltungen sollten so kritische wie wiederaufbaufreudige Kräfte entfachen. Am 18. März 1948 hatte der Gewerkschaftsbund eine Vortragsreihe veranstaltet, bei der ebenfalls Theodor Heuss über die »Wandlung des Geschichtsbildes« sprach. Im Rosengarten fand am 20. März 1948 die Märzfeier der KPD zur Erinnerung an die Märzrevolution von 1848 statt. Im Juni sprach dann Erich Honecker als Erster Vorsitzender des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend Berlin auf Einladung der Freien Jugendgemeinschaft in Neckarau über das Thema »Hat die deutsche Jugend noch eine Zukunft?«
Ein besonderes Anliegen war es für Oberbürgermeister Heimerich, sich zeitnah für die Opfer des Nationalsozialismus einzusetzen. In seiner ersten Amtszeit von 1928 bis 1933 wurde er 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt, weil er sich geweigert hatte, die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus hissen zu lassen. Am 12. September 1948 hielt er die Rede auf der Gedenkfeier in der Schauburg. Auf dem Plakat wird er als Oberbürgermeister a.D. geführt, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, dass es für ihn eine zweite Amtszeit als OB von 1949 bis 1955 geben würde.
Ein besonderes Anliegen war es für Oberbürgermeister Heimerich, sich zeitnah für die Opfer des Nationalsozialismus einzusetzen. In seiner ersten Amtszeit von 1928 bis 1933 wurde er 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt, weil er sich geweigert hatte, die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus hissen zu lassen. Am 12. September 1948 hielt er die Rede auf der Gedenkfeier in der Schauburg. Auf dem Plakat wird er als Oberbürgermeister a.D. geführt, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, dass es für ihn eine zweite Amtszeit als OB von 1949 bis 1955 geben würde.
1948 kamen die Entnazifizierungsverfahren, wenn auch nicht vollständig, zu ihrem Abschluss. Davon unabhängig bemühte sich OB Heimerich im Bereich des Theaters um Wiedergutmachung. Dem ehemaligen Generalmusikdirektor Joseph Rosenstock (1895-1985) verlieh er die Schillerplakette. Er hatte das Amt von 1930 bis 1933 innegehabt, wurde aber 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft »beurlaubt«. Er wirkte nach seiner Mannheimer Entlassung in Japan und in den USA.
Das Jahr 1948 war für die politische Neupositionierung des Nationaltheaters ein wichtiges Jahr. Das Nationaltheater blieb für Jahrzehnte das Flaggschiff einer fortschrittlichen Stadtgesellschaft – nicht nur für Kultur-Mannheimer*innen. Beim Amtsantritt von Ulrich Schwab 1996 wurde das »Flaggschiff« als großer »Tanker« mit vielen bunten Wimpeln dekoriert. Um die Jahrtausendwende avancierte das Nationaltheater dann zu einem »Leuchtturm« der 2005 gegründeten europäischen Metropolregion Rhein-Neckar. Im Lauf der Jahre entstanden zusätzliche Fahnenmasten zum Ring hin. Selbstbewusst wehen nun dort die eigenen Fahnen der vier Spartenintendanzen O (Oper), S (Schauspiel), T (Tanz) und JNTM (Junges Nationaltheater).
Das Jahr 1948 war für die politische Neupositionierung des Nationaltheaters ein wichtiges Jahr. Das Nationaltheater blieb für Jahrzehnte das Flaggschiff einer fortschrittlichen Stadtgesellschaft – nicht nur für Kultur-Mannheimer*innen. Beim Amtsantritt von Ulrich Schwab 1996 wurde das »Flaggschiff« als großer »Tanker« mit vielen bunten Wimpeln dekoriert. Um die Jahrtausendwende avancierte das Nationaltheater dann zu einem »Leuchtturm« der 2005 gegründeten europäischen Metropolregion Rhein-Neckar. Im Lauf der Jahre entstanden zusätzliche Fahnenmasten zum Ring hin. Selbstbewusst wehen nun dort die eigenen Fahnen der vier Spartenintendanzen O (Oper), S (Schauspiel), T (Tanz) und JNTM (Junges Nationaltheater).
Dr. Laura Bettag
Bildnachweise, Literatur und Links:
- Kachelbild: © Robert Häusser – Robert-Häusser-Archiv/Curt-Engelhorn-Stiftung, Mannheim
- Hans Schüler (1957). In: Festschrift, S. 159-160.
- Nationaltheater Mannheim (Hg.)(1948). Festwoche vom 8. bis 15. Mai 1948. 1848. Zum Gedächtnis der deutschen Revolution. MARCHIVUM, Bibliothek, Signatur A10/112.
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