Zeitfenster Nr. 4

Das Nationaltheater als Attraktion im höfischen Kulturleben Mannheims

Bereits im 18. Jahrhundert war das 1779 gegründete historische Nationaltheater ein wesentlicher Bestandteil des weithin bekannten Mannheimer Kunst- und Kulturlebens. Die Schriftstellerin und Salonnière Sophie von La Roche (1730 - 1807) kam 1784 zu einem dreimonatigen Winteraufenthalt nach Mannheim. Ihre detaillierten Berichte darüber bringt sie in ihrem 1791 in dem renommierten Züricher Verlag Orell, Geßner und Füßli erschienenen Buch »Briefe über Mannheim« zu Papier. Dass einer der Herausgeber, der Idyllendichter, Maler und Grafiker Salomon Geßner selbst die Titelvignette gestaltete, unterstreicht die überregionale Bedeutung von Sophie La Roches Unternehmung zudem. Ihre Briefe über Mannheim verbinden dokumentarische und autobiografische mit literarischen und frühen kulturtouristischen Aspekten. Wenngleich diese öffentlichen Briefe in der Regel keine konkreten Adressaten hatten, sind sie doch für eine vorrangig weibliche Zielgruppe aus Adel und Bürgertum konzipiert. Die vergleichsweise aktuellen Informationen über lokale Gegebenheiten und Besonderheiten interessierten aber auch das reisende Kulturpublikum und nicht zuletzt gut vernetzte Kunstschaffende, wie etwa Friedrich Schiller, Wolfgang Amadeus Mozart oder Maria Theresia von Paradis.
Mannheim hatte auch damals zahlreiche Attraktionen aufzuweisen! Die Atmosphäre der ehemaligen Residenzstadt Carl Theodors wirkte trotz des Wegzugs des Hofes 1778 noch spürbar anziehend. Sophie von La Roche lobt ausdrücklich das »höfliche« und wertschätzende Miteinander. Sie berichtet über die dortigen Errungenschaften und kennenswerte Persönlichkeiten. Dramatische Umstände werden dabei nicht ausgeklammert, sondern in die Briefe aufgenommen und kommentiert. So berichtet sie über den tragischen Tod der Mannheimer Schauspielerin Caroline Beck, der Tochter des Mannheimer Hofgerichtsrats Ziegler, die mit 18 Jahren starb. Sie war mit dem Schauspieler Heinrich Beck kaum ein Jahr verheiratet, als ein Sturz bei der Aufführung von Lessings Emilia Galotti während ihrer Schwangerschaft zum Tode führte.
Von besonderem Interesse war auch die Außenansicht des Nationaltheaters. Sophie von La Roche teilt uns im 2. Brief mit, wie das damaligen Nationaltheater auf sie wirkte. Sie logierte im 2. Stock des Wohnhauses eines Haarbeutelmachers und beschreibt den direkten Blick auf den großen Platz vor dem Theater:
»Ich betrachtete nun sogleich die Bauart dieses Hauses; sie dünkte mich schön, und der Bestimmung angemessen. Zu genauer Kenntniß der halb erhabnen Figuren eines Giebels, nahm ich ein kleines Fernglas, und fand die Musen des Schauspiels und des Gesangs.«
Das Nationaltheater ihrer Zeit stand auf dem Quadrat B 3, dem heutigen Schillerplatz.

Dr. Laura Bettag
Ein vergilbtes Pergament mit der Altdeutschen Aufschrift: Briefe über Mannheim von Sophie LaRoche, Zürich. Unter dem Namen der Autorin ist eine zeichnung eines cheruben, welcher mit einer langen, herabhängenden Blumengirlande durch die Luft schwebt. Neben dem Engel ist ein schwarzer, unleserlicher Stempelaufdruck.
Bayerische Staatsbibliothek München auf https://www.digitale–sammlungen.de
Literatur
  • Wilhelm Kühlmann (2021). Empfindsame Urbanität. Zur kulturellen Polyphonie der »Briefe über Mannheim« (1791) von Sophie von La Roche. Ubstadt-Weiher: Verlag regionalkultur.
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