Zeitfenster Nr. 26

Der Eintritt ins Theater durch einen Pavillon aus Glas und Licht

Der Architekt des neuen Nationaltheaters Gerhard Weber interessierte sich für städtebauliche Aspekte. So strebte er u. a. an, die Sichtachse entlang des Baukörpers vom Friedrichsring zum Luisenpark nicht unnötig zu stören oder gar zu unterbrechen. Die Schwere des Baukörpers versuchte er durch Glasflächen und Arkadengänge zu mindern. Eine besondere Bedeutung kam dabei der Gestaltung des Publikumseingangs zu. Weber entschied sich für einen vorgelagerten, quadratischen Pavillon aus Glas. Mit Hilfe dessen sollte der Besucherstrom von der Goethestraße aus über die Vorhalle zur Theaterkasse bzw. zu den Eingängen in das Foyer gelenkt werden. Er beschreibt seine Absicht in der Festschrift (S. 162):
»Gegenüber dem Bühneneingang schiebt sich in den Freiraum des Goetheplatzes die niedrige, eingeschossige Kassenhalle vor. Ringsum verglast und in Stützen aufgelöst, stört sie kaum die optische Verbindung zwischen Friedrichsring und Luisenpark, markiert aber eindeutig den Besuchereingang des Theaters. Die Eingangshalle teilt den Platz in einen Fahr- und Fußgängerbereich.«
Der Zugang lag im Unterscheid zu heute nur wenige Schritte von der Autostraße entfernt. Eine Aufnahme von der Einweihung des Hauses am 12. Januar 1957 zeigt die Situation:
Menschenmaße mit regenschirmen strömt zum Eingang des Spielhauses.
MARCHIVUM, Bildsammlung, AB00352-027
Die vorfahrenden Autos konnten kurz für den Ausstieg in Abendgarderobe halten und sich dann bei Bedarf einen Parkplatz suchen. Diese Lösung erwies sich nach einigen Jahren mit zunehmendem Autoverkehr als problematisch und musste verändert werden.
Ursprünglich hatte die Vorhalle die Bedeutung, den Zutritt in die neue Welt eines modernen Theaters angemessen zu inszenieren. Dies geschah primär durch eine indirekte Beleuchtung, auf die Decke und Boden abgestimmt waren. Nichts sollte von dem gewünschten Raumerlebnis ablenken. Webers Konzept der »Entmaterialisierung« setzte sich so im Inneren fort. Der hohe ästhetische Anspruch des Lichtkorridors verlor sich über die Jahrzehnte.
Das Landesamt für Denkmalpflege stellte 1997 fest:
»Die Eingangshalle hat ihr ursprüngliches Erscheinungsbild 1997 weitestgehend eingebüßt. Der scheinbar himmelhohe Raum, dessen weiße Decke durch die Überstrahlung der indirekten Beleuchtung aus den abgehängten, futuristischen Beleuchtungskörpern kaum als Raumabschluss wahrnehmbar war, wurde durch eine felderförmige Holzdecke zwischen den betonierten Unterzügen in seinen Proportionen maßgeblich verändert. Der Einzug einer Glaswand mit Vorhang reduziert die Raumwirkung weiter. Wenige verbliebene Elemente, wie der Boden aus quadratischen Kunststeinplatten mit geschliffener Oberfläche, die das Licht von der Decke reflektieren, die dreifeldrige Tür an der Südseite und die Mosaikwände der Kassenhäuschen mit furnierten Türen, erinnern noch an den originalen Bauzustand. Die Kassenhäuschen wurden nur in ihrem Inneren maßgeblich umgebaut, als die 2002 Sanitärräume eingerichtet bzw. erneuert wurden. Das Mosaik besteht aus verschiedenfarbigen, im Ton präzise abgestimmten hellgelblichen bis hellbräunlichen Steinen. Die Tonalität entsteht alleine durch Materialfarbigkeit. Im Zwischenbereich findet sich noch ein Teil der betonierten Decke, in der sich wellenförmig-irreguläre Schalungsabdrücke befinden. Die unebene Oberfläche sorgt für ein irisierendes Lichtspiel, das der Decke die Massivität nimmt und die niedrige Raumhöhe nicht als solche erfahrbar macht.«
Auch die Außenwirkung des neuen Theaters wurde nicht dem Zufall überlassen. Insbesondere in der Nacht sollte das Theater in durchaus wörtlicher Hinsicht seinen topografischen Ort »erleuchten«. Hierbei ging der Zeitgeist geradezu verschwenderisch mit den energetischen Ressourcen um. An anderer Stelle wurde im Vergleich zu heute gespart. Es gab nur einen räumlich sehr reduzierten »Erfrischungsbereich« im Inneren des Hauses zur Hebelstraße gelegen. Man schenkte zwar alkoholische Getränke aus, diese waren aber nicht für den bequemen Konsum im Sitzen gedacht. In der Art der »Stehparty« wurde das Glas in der Hand gehalten. Zur Ablage waren kleine Glasplatten unterhalb der mit Spiegeln ausgestatten Säulen angebracht. Darauf befanden sich auch Kristallaschenbecher, da Rauchen zu dieser Zeit erlaubt war. Um den sich verändernden Bedürfnissen des Publikums Rechnung zu tragen, baute man nach der Generalsanierung von 1994-1996 in die Kassenhalle 1997 eine Caféausstattung ein, die man 2015 nochmals gastronomisch erweiterte. Auch das Abonnementsbüro war zwischenzeitlich in die Kassenhalle eingezogen. Durch eine akustische Abtrennung aus Glas konnten im vorderen, zur Straße gelegenen Teil auch kleinere Veranstaltungen abgehalten werden.
Aktuell ist das Theatercafé komplett leergeräumt. Nach der Generalsanierung wird es eine Gastronomie beinhalten, die unabhängig von den Öffnungszeiten des Theaters betrieben werden soll (vgl. die Rubrik Bilder einer Baustelle im Theatermagazin September/Oktober 2023).

Dr. Laura Bettag
Bildnachweis, Literatur und Links
  • Kachelbild: MARCHIVUM, Bildsammlung, KF 010310
  • Das Neue Nationaltheater (1957). Festschrift zur Eröffnung des neuen Mannheimer Nationaltheaters am 175. Jahrestag der Uraufführung der »Räuber«, S. 161-164.
  • Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Hg.)(2017). Datenbank Bauforschung/Restaurierung Nationaltheater. Verfügbar unter http://www.bauforschung-bw.de/objekt/id/160017075312
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