Ein Leben mit dem NTM - Eine Nachbarin berichtet von der Baustelle in den 1950er Jahren

Wir blicken zurück auf die Baustelle während der Bauzeit in den 1950er Jahren am Goetheplatz und erinnern uns an die Sanierung des Theaters Anfang der 1990er Jahre. Begleitet werden wir von einer Anwohnerin, die ihr ganzes Leben in direkter Nachbarschaft zum Theater verbracht hat.
Lange wurde darüber diskutiert, wo das Nationaltheater nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut
bzw. neu errichtet werden sollte. Neben einem Wiederaufbau in B3, gegen den man sich aufgrund des Platzmangels entschied, standen als Standorte u. a. noch das Schloss, der Friedrichspark und der Goetheplatz zur Debatte. Nachdem man auch das Schloss als mögliche neue Adresse für das Nationaltheater verwarf, da sich der Einbau eines Theaters in ein bestehendes Gebäude als schwierig herausstellte, kristallisierte sich im Rahmen eines Architekturwettbewerbs alsbald der Goetheplatz als künftiger Standort für das Nationaltheater heraus. Die Begebenheiten waren auch hier eine kleine Herausforderung, musste man das Theater doch auf einem bestehenden Bunker errichten.

Nachdem Gerhard Webers Entwurf als Sieger aus dem Wettbewerb hervorging und dem Nationaltheater seine heutige Form schenkte, stand dem Beginn der Bauarbeiten nichts mehr im Wege. Die Menschen, die in der angrenzenden Goethestraße, der Hebelstraße und am Friedrichsring leben, bekamen einen neuen Nachbarn. Eine Anwohnerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, teilt ihre Erinnerungen an diese Zeit. Ihre Mutter sei regelmäßig auf dem Tennisplatz spielen gewesen, der sich bereits um 1900 auf dem heutigen Goetheplatz befand. Eine Postkarte aus dieser Zeit zeigt deutlich, dass sich der Platz, verglichen mit den angrenzenden Häusern, auf deutlich niedrigerem Niveau befand. Der Bunker wurde folglich nicht als Tiefbunker errichtet, sondern spätestens im Zuge der Bauarbeiten zugeschüttet und das Gelände nivelliert.
Das Bild zeigt, wie die ersten Pfähle in den Boden gerammt wurden. In regelmäßigen Abständen habe alles vibriert und gewackelt. Am 18. Juni 1954 legte der damalige amtierende Oberbürgermeister Hermann Heimerich den Grundstein für das Gebäude. Kurz darauf dürfte jeder mitbekommen haben, dass die Bauarbeiten am Goetheplatz begonnen haben: »Der Lärm der aktuellen Bauarbeiten ist nichts im Vergleich zu dem, während des Baus des Nationaltheaters«, erinnert sich unsere Anwohnerin.

Für die Baustelle selbst habe sie sich als Kind wenig interessiert, erzählt sie. Sie erinnere sich jedoch an die zahlreichen Baubuden in der Hebelstraße und die Arbeiter vor Ort. Hier sei immer etwas los gewesen, vor allem, wenn die Arbeiter ihre Lohntüten bekamen und das Geld gegen Essen und Schnaps eingetauscht haben.

Obwohl die Baustelle auch damals mit Bauzäunen abgeriegelt war, so erinnert sie sich weiter, kam es noch vor der Eröffnung zu einem kleinen Zwischenfall, der allerdings glimpflich ausging. Kaum waren die Fensterscheiben eingebaut, ging bereits die erste zu Bruch, nachdem ein Nachbarskind auf der Baustelle gespielt hatte – das Kind verblieb ohne nennenswerte Blessuren und die Scheibe wurde ausgetauscht.

Im Dezember 1956 fand dann die letzte Aufführung in der Schauburg statt – einem ehemaligen Kino, welches nach dem zweiten Weltkrieg als Interimsspielstätte diente. Die feierliche Eröffnung des Nationaltheaters wurde am 12. und 13. Januar 1957 mit einem großen Festakt zelebriert.

Auch von der letzten großen Sanierung Anfang der 1990er Jahre berichtet die Anwohnerin. Nur zwei Monate nach der Wiedereröffnung im April 1994 brannte der neu errichtete Bühnenturm des Schauspielhauses lichterloh. Das Feuer war bei Dacharbeiten ausgebrochen. Es habe lange gedauert, so hatte sie den Eindruck, bis die Feuerwehr in das Gebäudeinnere hervordringen und den Brand bekämpfen konnte. Dennoch lief der Spiel- und Probenbetrieb im Anschluss weiter.

Die Zeiten, in denen man Autogrammjäger*innen am Bühneneingang beobachten konnte, gehören zwar der Vergangenheit an und so häufig wie früher gehe sie selbst nicht mehr ins Theater, dennoch verfolgen sie als Anwohnerin die Bauarbeiten mit großem Interesse.

Dass der Blick auf ein solches Spektakel aus der ersten Reihe nicht immer angenehm ist, ist uns als NTM bewusst. Wir möchten uns an dieser Stelle daher bei all unseren Nachbar*innen, die in der Zeit der Generalsanierung mit Einschränkungen leben müssen, für Ihre Geduld und Ihr Verständnis bedanken.

von Dominic Zerhoch

Veröffentlicht im Theatermagazin Juli 2024
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