Juices
von Ewe Benbenek
Sie hängen schon wieder in der Luft und klammern sich mit schweißnassen Fingern am Kronleuchter fest. Sie – drei Stimmen (A, B und C) –, deren polnische Mütter sich in Deutschland mit Putzen und Spargelstechen kaputtarbeiteten, haben es geschafft, sich in die glamouröse Welt des Erfolgs hochzuschwingen. Doch gebadet in Angstschweiß und mit »Existenztränen« in den Augen rutschen sie schon wieder dem Abgrund entgegen – ohne, dass ein Sicherheitsnetz sie auffangen könnte…
In »Juices« von Ewe Benbenek verwandeln sich Scham und Selbstzweifel darüber, als Arbeiter- und Einwanderungskind nie »wirklich« zur Mehrheitsgesellschaft dazuzugehören, in surreale (Albtraum-)Bilder. Die Autorin und Literaturwissenschaftlerin wurde 2021 für ihr überwältigendes Debut »Tragödienbastard« mit dem renommierten Mülheimer Dramatikpreis ausgezeichnet. Mit »Juices« wirft sie nun einen Blick auf das Innenleben von drei Stimmen und lädt dazu ein, auf ihrem mäandernden, poetischen Gedankenfluss zu surfen: Die Reise führt zu einem glitzernden Kronleuchter, in ein duftendes Schaumbad, in abendliche Großraumbüros, auf ein Spargelfeld in der deutschen Provinz – und immer wieder zu sich selbst und zum Ringen um die eigene Sprache. Dabei versuchen die drei Stimmen in einem (Selbst-)Gespräch immer wieder aufs Neue, ihre Erfahrungen mit dem Klassismus zu artikulieren und die strukturellen Mechanismen dahinter zu beschreiben, die die Diskriminierung von Arbeiter*innen (aus dem europäischen Osten) erst ermöglichen. Doch kann man als Einzelne*r etwas an den ungerechten Verhältnissen überhaupt verändern?
Kamila Polívková ist eine der wichtigsten Regisseur*innen Tschechiens. In ihrer ersten Regiearbeit in Deutschland bringt sie Benbeneks mitreißenden Gedankenfluss zur Uraufführung.
In »Juices« von Ewe Benbenek verwandeln sich Scham und Selbstzweifel darüber, als Arbeiter- und Einwanderungskind nie »wirklich« zur Mehrheitsgesellschaft dazuzugehören, in surreale (Albtraum-)Bilder. Die Autorin und Literaturwissenschaftlerin wurde 2021 für ihr überwältigendes Debut »Tragödienbastard« mit dem renommierten Mülheimer Dramatikpreis ausgezeichnet. Mit »Juices« wirft sie nun einen Blick auf das Innenleben von drei Stimmen und lädt dazu ein, auf ihrem mäandernden, poetischen Gedankenfluss zu surfen: Die Reise führt zu einem glitzernden Kronleuchter, in ein duftendes Schaumbad, in abendliche Großraumbüros, auf ein Spargelfeld in der deutschen Provinz – und immer wieder zu sich selbst und zum Ringen um die eigene Sprache. Dabei versuchen die drei Stimmen in einem (Selbst-)Gespräch immer wieder aufs Neue, ihre Erfahrungen mit dem Klassismus zu artikulieren und die strukturellen Mechanismen dahinter zu beschreiben, die die Diskriminierung von Arbeiter*innen (aus dem europäischen Osten) erst ermöglichen. Doch kann man als Einzelne*r etwas an den ungerechten Verhältnissen überhaupt verändern?
Kamila Polívková ist eine der wichtigsten Regisseur*innen Tschechiens. In ihrer ersten Regiearbeit in Deutschland bringt sie Benbeneks mitreißenden Gedankenfluss zur Uraufführung.
»Juices« in einfachen Worten
Ewe Benbenek schreibt Texte fürs Theater.
Ihr neuer Theater-Text heißt »Juices«.
Auf Deutsch heißt das »Säfte«.
In »Juices« sprechen drei Stimmen:
Sie sprechen alleine und zusammen.
Die Stimmen waren vorher arm.
Sie sind es nicht mehr.
Trotzdem können sie sich nicht entspannen.
Sie schämen sich.
Ihre Angst ist:
Sie werden wieder arm.
Sie denken:
Die Welt ist ungerecht.
Keiner soll arm sein.
Die Stimmen wollen die Welt verändern.
Alleine ist es aber sehr schwer.
Können wir ihnen helfen?
Geht es zusammen besser?
Ihr neuer Theater-Text heißt »Juices«.
Auf Deutsch heißt das »Säfte«.
In »Juices« sprechen drei Stimmen:
Sie sprechen alleine und zusammen.
Die Stimmen waren vorher arm.
Sie sind es nicht mehr.
Trotzdem können sie sich nicht entspannen.
Sie schämen sich.
Ihre Angst ist:
Sie werden wieder arm.
Sie denken:
Die Welt ist ungerecht.
Keiner soll arm sein.
Die Stimmen wollen die Welt verändern.
Alleine ist es aber sehr schwer.
Können wir ihnen helfen?
Geht es zusammen besser?
Die Uraufführung »Juices« von Ewe Benbenek in der Regie von Kamila Polívková ist zu den 49. Mülheimer Theatertagen, zum Festival Divadelní Flora und zum Dramatiker|innenfestival in Graz eingeladen. Wir gratulieren allen Beteiligten!
Interview mit Ewe Benbenek
Das Hängen am Kronleuchter ist ein zentrales Motiv in »Juices«. Wie ist diese Idee entstanden und wie funktioniert sie im Stück?
Ich bin selbst eine von Klassismus betroffene Person. Ich komme aus einer Arbeiter*innenfamilie, meine Eltern sind Ende der 1980er Jahre von Polen nach Deutschland migriert und haben ihr Leben lang in prekären Arbeitsbedingungen gearbeitet. Ich habe einen Bildungsaufstieg inklusive Abitur und Studium gemacht, habe an der Universität gearbeitet und bin heute Autorin. Das Thema betrifft mich also auch persönlich. Zusätzlich habe ich dazu gelesen und geforscht. Im literarischen Schreiben reicht es aber nicht, eine Statistik zu nennen oder Zahlen aufzuzählen. Man muss eine andere Form finden. Irgendwann kam mir dieses Bild im Kopf: Körper, die an einem Kronleuchter hängen und immer wieder herunterfallen; die sich mit viel Kraft heraufgeschwungen haben, aber immer wieder im Fallen sind, weil sie sich oben, an diesem luxuriösen Platz, nicht halten können. Dieses Bild stand für mich für den sozialen Auf- und Abstieg und ich dachte: In der Literatur ist doch alles möglich! Also habe ich versucht, dieses Bild wörtlich zu nehmen und es genauso aufzuschreiben. »Juices« ist dann ein Durchspielen eben dieser Situation: Was passiert zwischen Hängen und Herunterfallen?
In »Juices« verzichtest Du auf klassische Figuren. Warum?
Im Stück geht es viel um die Frage, was tun, wenn wir als Individuen größeren Prozessen, Strukturen und politischen Bedingungen gegenüberstehen. Der Text antwortet darauf nicht nur durch seine Inhalte, sondern auch in seiner Form. Wir finden hier nicht eine, sondern drei Stimmen, die immer wieder aufs Neue verhandeln müssen, wer sie sind. Sind sie ein »Ich«? Oder stehen sie in einem Kollektiv? Kann man überhaupt ein »Ich« schreiben und eine Stimme auf die Bühne stellen? Oder ist dieses »Ich« immer schon in Stimmen geteilt bzw. steht in einem Gefüge aus Stimmen? Auch in »Juices« ist das »Ich« in Stimmen aufgesplittert und muss in einen Dialog treten – mit sich und anderen. Dies ist ein Versuch, eine Individualposition aufzubrechen und im Laufe des Stückes zu zeigen, was es bedeutet, sich angesichts großer Herausforderungen zu verbinden und gemeinsam zu sprechen.
Ich bin selbst eine von Klassismus betroffene Person. Ich komme aus einer Arbeiter*innenfamilie, meine Eltern sind Ende der 1980er Jahre von Polen nach Deutschland migriert und haben ihr Leben lang in prekären Arbeitsbedingungen gearbeitet. Ich habe einen Bildungsaufstieg inklusive Abitur und Studium gemacht, habe an der Universität gearbeitet und bin heute Autorin. Das Thema betrifft mich also auch persönlich. Zusätzlich habe ich dazu gelesen und geforscht. Im literarischen Schreiben reicht es aber nicht, eine Statistik zu nennen oder Zahlen aufzuzählen. Man muss eine andere Form finden. Irgendwann kam mir dieses Bild im Kopf: Körper, die an einem Kronleuchter hängen und immer wieder herunterfallen; die sich mit viel Kraft heraufgeschwungen haben, aber immer wieder im Fallen sind, weil sie sich oben, an diesem luxuriösen Platz, nicht halten können. Dieses Bild stand für mich für den sozialen Auf- und Abstieg und ich dachte: In der Literatur ist doch alles möglich! Also habe ich versucht, dieses Bild wörtlich zu nehmen und es genauso aufzuschreiben. »Juices« ist dann ein Durchspielen eben dieser Situation: Was passiert zwischen Hängen und Herunterfallen?
In »Juices« verzichtest Du auf klassische Figuren. Warum?
Im Stück geht es viel um die Frage, was tun, wenn wir als Individuen größeren Prozessen, Strukturen und politischen Bedingungen gegenüberstehen. Der Text antwortet darauf nicht nur durch seine Inhalte, sondern auch in seiner Form. Wir finden hier nicht eine, sondern drei Stimmen, die immer wieder aufs Neue verhandeln müssen, wer sie sind. Sind sie ein »Ich«? Oder stehen sie in einem Kollektiv? Kann man überhaupt ein »Ich« schreiben und eine Stimme auf die Bühne stellen? Oder ist dieses »Ich« immer schon in Stimmen geteilt bzw. steht in einem Gefüge aus Stimmen? Auch in »Juices« ist das »Ich« in Stimmen aufgesplittert und muss in einen Dialog treten – mit sich und anderen. Dies ist ein Versuch, eine Individualposition aufzubrechen und im Laufe des Stückes zu zeigen, was es bedeutet, sich angesichts großer Herausforderungen zu verbinden und gemeinsam zu sprechen.
Besetzung
RegieKamila Polívková
Bühne, Kostüme & VideoAntonín Šilar
MusikPeter Fasching
DramaturgieDominika Široká
Kunst & VermittlungRonja Gerlach
Mitarbeit KostümMarcus Eufinger
Pressestimmen
»Ein Sprachkunstwerk.« (Nachtkritik, 18.06.2023)
»Starkes Team: Maria Munkert, Antoinette Ullrich, Rahel Weiss.« (Nachtkritik, 18.06.2023)
»Hier wird die Migrationserfahrung richtig plastisch in der Sprache – das ist sehr einzigartig.« (Deutschlandfunk Kultur, 17.06.2023)
»Mit [ihren] Bildern setzt die Regie präzise Akzente, verhilft dem Text zu einer wuchtigen Präsenz, dessen mitreißender Fluss aus Traumata, Hoffnungen und Illusionen ansonsten kaum einen Halt zulässt […] Die Abstraktion von Für und Wider von Migration verdichtet sich hier in einer konkreten Autorinnenexistenz zwischen Entwurzelung und schließlich beachtlicher Emanzipation. Um diese Entwicklung in Kunst zu übersetzen, ohne die Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren, bedarf es eines genauen Gespürs. Das Nationaltheater stellt es unter Beweis, mit einem Vibrato, das zutiefst bewegt!.« (taz, 20.06.2023)
»Starkes Team: Maria Munkert, Antoinette Ullrich, Rahel Weiss.« (Nachtkritik, 18.06.2023)
»Hier wird die Migrationserfahrung richtig plastisch in der Sprache – das ist sehr einzigartig.« (Deutschlandfunk Kultur, 17.06.2023)
»Mit [ihren] Bildern setzt die Regie präzise Akzente, verhilft dem Text zu einer wuchtigen Präsenz, dessen mitreißender Fluss aus Traumata, Hoffnungen und Illusionen ansonsten kaum einen Halt zulässt […] Die Abstraktion von Für und Wider von Migration verdichtet sich hier in einer konkreten Autorinnenexistenz zwischen Entwurzelung und schließlich beachtlicher Emanzipation. Um diese Entwicklung in Kunst zu übersetzen, ohne die Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren, bedarf es eines genauen Gespürs. Das Nationaltheater stellt es unter Beweis, mit einem Vibrato, das zutiefst bewegt!.« (taz, 20.06.2023)
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